In regelmäßigen Abständen teile ich hier die Erfahrungen der Menschen, die ich ein Stück begleiten durfte auf ihrem Weg zu mehr Freude und Sinn im Joballtag. In diesem Montags-Impuls gibt Ulrich Ratsch einen Einblick in sein BerufungsCoaching und seinen Weg – wie er mehr Freiheit im Job als Teamleiter R&D erfahren konnte, indem er seine Rolle in einem mittelständigen Unternehmen neu erfunden hat.
Seit unserem BerufungsCoaching ist sehr viel in Bewegung gekommen. Wenn wir die Zeit zurückdrehen, wo standest du damals und was hat dich bewegt dieses Coaching zu buchen?
Ich frage mich gerade, ob ich diese Frage ehrlich beantworten kann. Es gibt ja den guten alten Rückschaufehler 😉
Auf den ersten Blick stand ich mit beiden Beinen voll im Leben – erfolgreich im Beruf, ein glückliches Familienleben und mit der Leichtathletik ein tolles Hobby mit vielen guten sozialen Kontakten.
Mit einem Blick dahinter habe ich eine ziemliche Orientierungslosigkeit gespürt, die sich durch Unruhe und Rastlosigkeit gezeigt hat:
Weiter machen wie bisher bis zur Rente?
War das alles?
Wo kommt diese kaum wahrnehmbare Stimme her, dass es keine Zielgerade ist, auf der ich mich befinde?
Was mache ich mit den ganzen Erkenntnissen aus meiner Coaching-Ausbildung?
Deine Montags-Impulse hatte ich schon längere Zeit gelesen. Ganz oft gingen sie mit meinen eigenen Gedanken in Resonanz. Sie waren der ausschlaggebende Faktor, dich zu kontaktieren. Reines Bauchgefühl also.
Was waren deine Schlüsselmomente im BerufungCoaching? Mit welchen Erkenntnissen bist du aus den zwei Tagen nach Hause gegangen?
Die ersten Momente und Erkenntnisse gab es bereits vor dem Coaching, dank der Reflexionsfragen zur Vorbereitung. Wahrscheinlich war das begünstigt durch viel Zeit wegen Kurzarbeit am Corona-Anfang. Ich hatte damals bereits sporadisch Journaling [Tagebuch schreiben] betrieben, und dort steht folgender Abschnitt:
„Diese Fragen sind der reinste Mind-Fuck, wenn ich mich voll drauf einlasse! Wer sind meine Vorbilder? Was waren prägende Ereignisse? Ich habe mir über solche Dinge nie Gedanken gemacht. Ist das jetzt eigentlich gut oder schlecht?“
Der schmerzlichste Moment war, als ich erkannte, dass ich beruflich völlig außengesteuert war. Bis auf meine eigentlichen Talente – nämlich Zeichnen und Geometrie – hatten mich nur äußere Erwartungen und Belohnungen auf eine Bahn gelockt, die zwar spannend war, aber nicht meine war.
Im Coaching an sich gab es zwei Momente, die viele Anschluss-Gedanken und Handlungen in Bewegung brachten. Zum einen die Feedback-Briefe meiner Mitmenschen, die ich vorgelesen habe. So etwas denken die Menschen über mich? Alles was ich bei mir für selbstverständlich, normal und nicht erwähnenswert hielt, haben mir Freunde und Kollegen hier als einzigartige Stärken aufgeführt. Das war so rührend und andererseits auch befremdlich, weil ich mir so etwas nie eingestanden habe. Da stand nichts von Qualifikation oder Erfolgen. Zunächst für mich kaum einzuordnen, beim Sortieren im Nachklang aber eine Quelle für neue Ideen. Du hast all diese Dinge so wunderbar im Golden Circle festgehalten, den ich mir immer mal wieder vornehme und reflektiere, ob anstehende Aufgaben dort hineinpassen bzw. was ihnen fehlt, damit sie dort reinpassen. Zusammen mit der MotivStrukturAnlayse ist das ein ganz toller Kompass.
Den zweiten Moment hast du durch die Schreibmeditation herbeigeführt: Ich habe das erste Mal im Leben sehr bewusst und glasklar mein „entzweites“ Innenleben wahrgenommen, und zwar körperlich spürbar. Kopf rastlos und hibbelig, Herz ruhig, friedlich und im Einklang. Das war ein Moment, der mich darin bestärkte, mich intensiver mit Meditation zu beschäftigen und mehr darauf zu vertrauen, was mein Herz zu sagen hat.
Was hat dir geholfen, in die Anwendung deiner Erkenntnisse und Umsetzung deiner Ideen zu kommen?
Es war die Erkenntnis, dass ich tatsächlich in mir etwas spüre (wörtlich gemeint), dass mich antreibt und dass ein Gradmesser dafür sein kann, ob und wie stark ich mich für etwas engagieren sollte. Ehrlich gesagt, ist das eher ein Gefühl als ein Purpose-Satz [Anm. Katja: !!!].
Früher habe ich viele Dinge getan, ohne zu hinterfragen, ob ich überhaupt der richtige Mensch dafür bin und mich regelrecht verzettelt. Heute kristallisieren sich aus dem Mosaik der zu erledigenden Aktivitäten und der tollen Ideen die Dinge heraus, die zu mir passen. Manche Dinge gebe ich komplett ab, weil sie nicht in mein Wofür-Schema passen. Andere Dinge versuche ich mit Menschen voranzutreiben, die es besser können als ich bzw. die mich optimal unterstützen können. Es gibt auch Dinge, die ich nicht gern mache, die aber gemacht werden müssen, um meinem Wofür näher zu kommen – so ähnlich wie manche Trainingseinheiten, die mir keinen Spaß machen. Hier kommt dann die gute alte Disziplin zum Tragen.
Und übrig bleiben die Dinge, in denen ich richtig gut bin und die mir leicht von der Hand gehen. Diese Selektion nach meinem Kompass hat mir mein Arbeitsleben so viel entspannter gemacht, so dass die Umsetzung meiner Ideen gar nicht mehr das Problem ist. Ich mache es einfach.
Der Effectuation-Ansatz war ganz praktisch eine große Hilfe: Was ist schon da? Was bin ich bereit zu „investieren“? Meine agile Ader hat mir ebenfalls geholfen, aber im Grunde war es auch die Erkenntnis aus dem Selbstentwicklungsquadrat, dass ich mehr probieren muss und weniger auf Perfektion achten sollte.
Wie hat sich dein Arbeitsleben seit dem Coaching verändert?
Mein Arbeitsalltag hat sich zu ca. 90% verändert. Zum Teil fühlt es sich wirklich so an, als agiere ich als Berater im eigenen Unternehmen. Ich bekomme Anfragen zu gezielten Team-Workshops. Ich habe mit Kolleginnen aus dem HR eine 12-wöchige Teamreise an den Start gebracht. Meine eigene Führungsarbeit hat sich völlig verändert, weil ich versuche, im Rahmen der Möglichkeiten meinen Mitarbeitern gewissen Freiraum für persönliche Gestaltung zu geben. Ich konnte mich aus der „gesellschaftlich erwünschten“ Teamleiterrolle befreien, indem ich Kollegen klargemacht habe, dass ich nicht der Verwalter meiner Mitarbeiter bin.
Und ganz frisch: Ich werde mit einem Kollegen aus dem HR und einem tollen Unterstützer-Team das größte Struktur-Projekt der Firmengeschichte als Moderator und Agile Coach leiten und unsere Organisation beim Übergang zu dezentralen Strukturen unterstützen. Meine ersten Ideen dazu habe ich 2018 mit dem Geschäftsführer geteilt. Er hatte mir letztens unseren ersten Mailverkehr dazu zugeschickt und mich zu einem Review eingeladen, in dem wir gestaunt haben, wie sich Dinge entwickeln.
Was hast du auf deinem Weg über dich selbst erfahren? Worin steckte dein größtes Wachstumspotenzial?
Dass ich herrlich unperfekt bin und unbändige Lebensfreude in mir steckt, die ihren Weg in die Welt sucht. Ich habe meine kindliche Forscher- und Frohnatur wiederentdeckt und probiere Dinge aus. Natürlich sind da immer noch der innere Nörgler bzw. der lebensfeindliche Scheißer, aber ich weiß, woher diese Stimmen kommen und dass sie es eigentlich gut mit mir meinen. Ich arrangiere mich mit ihnen, kann sie beruhigen und habe Frieden mit ihnen geschlossen.
Außerdem habe ich festgestellt, dass ich mich nicht zwingend selbstständig machen muss, um eigene Ideen zu verfolgen. Instinktiv habe ich mir wohl eine perfekte Ausgangsposition in meiner Firma geschaffen, und ich genieße inzwischen meine Sicherheit als Angestellter. Sie gibt mir (noch) unendlich mehr Freiheit im Job als es eine Selbstständigkeit bringen würde.
Mein größtes Wachstumspotenzial habe ich beim Ablegen meiner „Rollen“ entdeckt. Überall, wo ich nicht ich war, lief es irgendwie lahm. Nicht wirklich schlecht, aber eben lahm. Ich zeige mich heute – so gut ich kann – so wie ich bin und lebe dann in der Resonanz meines Umfelds. Während früher Menschen auf mich zukamen und mir Arbeit „unterjubelten“, weil ich der nette Kollege war, der nicht Nein sagen konnte, passiert das inzwischen nur noch selten.
Wozu willst du mit dieser Arbeit beitragen? Was ist dein Wofür, dein Purpose?
Folgenden Text habe ich im Firmen-Intranet als Hintergrund zu meinem Profil stehen. Der sollte eigentlich alles sagen:
„Ich glaube daran, dass Menschen im Team Großartiges leisten können, wenn sie einen gemeinsamen Sinn für etwas Größeres als sie selbst entdecken und sie ein Umfeld vorfinden, in dem sie mit Freude und Leidenschaft eigenverantwortlich handeln können.
Dafür bedarf es keiner Motivation von außen, denn diese Motivation steckt in jedem Menschen. Die Kernaufgabe von Führung in Organisationen besteht genau darin, den Sinn zu stiften und das Umfeld zu schaffen und wie ein Gärtner zu pflegen.
Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, gemeinsam mit Führungskräften, Teams und Gleichgesinnten an einem Umfeld in Organisationen zu arbeiten, das den Menschen die Möglichkeiten bietet, ihre kreativen und schöpferischen Fähigkeiten wieder zu entdecken und für eine bessere Welt einzusetzen.
Für eine Wirtschaft, die dem Menschen dient.
Für eine Gemeinschaft, die das Leben respektiert.
Für den Menschen, der sein wahres Wesen bei der Arbeit wiederentdeckt.
Und es ist mir eine Freude und Ehre, diese Ziele bei Hettich verfolgen zu dürfen!“
Mein Purpose-Satz, den wir im Coaching entwickelt haben, war: „Verbindungen schaffen, wo Leben und Arbeit wieder zusammenpassen.“ Bei der Arbeit passt der immer noch. Ich habe inzwischen einen echten „Riecher“ für diese Verbindungen entwickelt.
Im Allgemeinen habe ich entdeckt, dass ich eine tiefe Demut dem Wunder des Lebens gegenüber habe und möchte, dass wir Menschen uns wieder auf das besinnen, was uns ausmacht und nicht auf das, was unsere Wirtschaft von uns verlangt. Ich liebe es, Menschen aus der Ohnmacht herauszulocken, nichts ändern zu können und Alternativen zu finden. Grenzen zu verschieben, die wir uns nur im Geist gebaut haben. Leben will sich ausprobieren und wachsen, und das ist oft unbequem. Wir sind nicht dazu geboren, um zu konsumieren und einen Standard zu erfüllen. Mein Motto im Sport war immer „Get comfortable being uncomfortable“. Das ist inzwischen mein Lebensmotto.
Was war oder ist deine größte Herausforderungen auf deinem Weg mehr Freiheit im Job zu erfahren?
Es sind nach wie vor alte Gewohnheiten und Denk- und Handlungsmuster, die mich ab und zu ausbremsen. Manchmal ertappe ich mich selbst beim „Wasser predigen, aber Wein trinken“ 😉 Es ist die Ehrlichkeit mit mir selbst, die mich herausfordert. Sehr hartnäckig ist der Satz „Das muss professioneller werden“ … ziemlich doof in einem Umfeld, das ich davon überzeugen möchte, dass es auch noch andere Quellen in uns gibt als den logisch-rationalen Verstand.
Und es ist meine unbändige Neugierde, die mich manchmal auf meinem Weg verirren lässt. Es ist ein Muster aus meiner Kindheit: Ich bin oft viel zu spät nach Hause gekommen (von der Schule, von Freunden), weil es unterwegs einfach so coole Sachen zu entdecken gab. Das ist heute immer noch so.
„Leben ist da, wo du noch nicht warst.
Alles andere ist Wiederholung.”
(Ulrich Ratsch)
Wenn du 1-2 Jahre vorspulst, welche Ideen willst du in dieser Zeit verwirklicht haben?
Ich möchte den Kultur- und Strukturwandel in der Firma auf eine gute Spur gebracht haben und dabei das Gefühl haben, dass es jetzt auch ohne mich weitergehen würde, weil die Menschen entdeckt haben, dass traditionelle Organisationsformen nicht menschengerecht sind und Potenzialentwicklung weitestgehend behindern. Gleichzeitig möchte ich ein Angebot für Menschen entwickeln, die Bock auf mehr haben. Ein Mix aus Agilität, Achtsamkeit und Purpose – am liebsten kombiniert mit körperlichen Erfahrungen. Für mich ist das ein magischer Dreiklang: Purpose als Vision, die Orientierung gibt. Achtsamkeit als Erkenntnis für die Passgenauigkeit und Richtigkeit der Aktivitäten. Agilität als Reaktion auf eine sich wandelnde Umgebung. Diese Verbindung möchte ich körperlich erfahrbar machen. Hört sich noch sehr akademisch und silohaft an und braucht noch ein paar Denkschleifen 😉
Was möchtest du den Leser:innen mitgeben, die beruflich momentan in einer (Sinn-)Krise stecken?
Sich trauen Mensch zu sein und sich loszulösen von allem, wo man ein „Etikett“ drauf machen kann. Von all den Rollen, die unser Ego bestärken. Das fühlt sich zunächst nicht so toll an … da ist erstmal nix. Es geht darum sich zu ergründen, in die Tiefe zu gehen und mit sich selbst zu beschäftigen, auch mit den dunklen Seiten. Das braucht Vertrauen, dass hinter dem Ego noch etwas anderes steckt. Das ist viel Größer.
Kommt raus aus euren Rollen – konsequent und ehrlich.
Wir sind nicht über unser Tun und Haben definiert, sondern über uns Sein.
Lieber Ulrich, ich danke dir für deine Offenheit und das Teilen deiner persönlichen Erkenntnisse und Erfahrungswerte. Mich erfüllt eine unglaubliche Dankbarkeit, dass wir uns im Coaching begegnet sind und du den Purpose-Spirit in deinem Tun und Sein weiter trägt. Mich inspiriert dein Mut im bestehenden Umfeld neue Blickwinkel zu öffnen und neue Wege zu gehen!
…
Liebe:r Leser:in, nimm‘ dir doch kurz einen Moment Zeit. Spüre den Erkenntnissen und Erfahrungswerten von Ulrich noch einen Augenblick nach.
Was bewegt dich innerlich?
Welche Fragen oder Impulse tauchen auf?
Ich wünsche dir das Vertrauen dein (Arbeits-)Leben nach deinen wahren Bedürfnissen auszurichten,
Katja
Willst Du mehr Freiheit im Job erfahren?
Dein Weg zum BerufungsCoaching
Ob wir zueinander passen, dass finden wir am besten bei einem persönlichen Kennenlernen heraus.
Ich erfahre, was dich dazu bewegt mit mir Kontakt aufzunehmen und was du dir von einem Coaching erwartest. Daraufhin gebe ich dir Einblicke in meine Arbeit und beantworte alle offenen Fragen.