Gefühle im Arbeitskontext zu zeigen, ist für viele noch immer ein Tabu.
In jedem Fall mit Scham besetzt.
Schnell fällt der Stempel: unprofessionell!
Genau so wurde auch ich geprägt.
Ich habe BWL studiert und den rationalen Agenten namens Homo Economics kennengelernt.
Meine Karriere im Großkonzern bestätigte mich in meinem gelernten Arbeitsmodus:
Sachlich.
Effizient.
Zielgerichtet.
Das verfestigte sich in meinem Selbstbild.
Lange Jahre war ich davon überzeugt ein rationaler Kopfmensch zu sein.
Schließlich funktionierte ich doch wunderbar.
Doch dann erschien ein Fehler im System: Unzufriedenheit.
Wie kann das sein?
Ich bin doch erfolgreich.
Allerdings auch zunehmend gleichgültig und desinteressiert an den Inhalten meiner Arbeit.
Die Diskrepanz im Innen und Außen nahm zu.
Erste depressive Verstimmungen.
Dann zog ich die Reißleine!
Erst im Laufe der Jahre ist mir bewusst geworden, dass ich den Imperativ „Fühle nicht!“ verinnerlicht hatte. Dieses Bewusstsein hat mein Selbstbild im wahrsten Sinne des Wortes auf den Kopf gestellt:
Ich bin KEIN Kopfmensch.
Ich bin ein HERZmensch.
Alles andere ist eine Anpassungsstrategie, um im System vermeintlich besser zu bestehen.
Mit meiner Strategie war ich nicht allein, sondern in sehr guter Gesellschaft wie der Engagement Index vom Gallup Institut Jahr für Jahr veranschaulicht. Zwar ist die emotionale Bindung der Arbeitnehmer:innen an ihre Arbeitgebenden während der Corona Pandemie gestiegen. Doch 83% der Beschäftigten empfinden weiterhin eine geringe oder keine emotionale Bindung. Hochgerechnet auf die Arbeitnehmerschaft sind das 31.528.700 Menschen. Das kann ich nicht sachlich und nüchtern betrachten, das macht mich unglaublich traurig, an manchen Tagen auch wütend.
Ich wollte meine Arbeitszeit nicht mehr im Funktionsmodus verbringen.
Mithilfe einer Lehrerin für Körperbewusstsein lernte ich meine Gefühle überhaupt wieder wahrzunehmen. Lange Zeit spürte ich nur meinen Kopf und den permanenten Betrieb im Oberstübchen. Mein Körper dagegen war wie abgetrennt. Meine Bedürfnisse standen in der Warteschlange hinter meiner To Do Liste.
Je mehr ich meine emotionale Ebene integrierte, desto besser konnte ich spüren, was ich wirklich wirklich will. Diese Frage ist der Kern von New Work.
Allerdings ist mein Eindruck, dass „Fühle nicht!“ über dem Eingang vieler Organisationen steht, selbst dort, wo es eigentlich um das Wohl der Menschen gehen soll und Herzintelligenz gefragt ist.
Alle Menschen haben Gefühle
Wir Menschen sind soziale Wesen.
Eine Beziehung zwischen zwei Menschen ohne Gefühl ist keine Beziehung.
Viele Menschen glauben, dass Arbeit und Gefühle nichts miteinander zu tun haben.
Doch Menschen ohne Gefühle wären Maschinen.
Das sind wir nicht.
Dafür sind wir mit gefühlter Gewissheit nicht auf dieser Welt.
Ist Wirtschaft im Grunde nicht ein riesiges Beziehungsgeflecht zwischen Menschen?
Sind Organisationen nicht ein lebendiger Organismus aus vielen Individuen?
Liegt dann in unserer Fähigkeit zu fühlen und zu spüren, nicht ein immenses Potenzial?
Doch wenn wir an Gefühle im Arbeitskontext denken, dann haben wir schnell das Bild einer cholerischen Führungskraft oder eines Nervenzusammenbruchs vor Augen. Was unseren Umgang mit Gefühlen angeht, stecken wir noch in den Kinderschuhen. Wie und wo sollen wir diesen Umgang auch lernen, wenn nirgendwo wirklich Raum dafür da ist. Wenn wir Angst haben vor der Konfrontation mit Emotionen, sowohl vor unseren eigenen als auch den Emotionen anderer.
Gefühl vs. Emotion
Was in emotional aufgeladenen Situationen überhand gewinnt, sind nicht die Gefühle des Moments, sondern unsere emotionalen Altlasten.
Ein Gefühl entsteht aus dem Moment heraus, fließend und veränderlich. Gefühle sind unsere lebendige Reaktion auf das, was uns in einem Moment begegnet. Das Leben kreiert eine Situation und Spannung, unser Inneres antwortet. Unmittelbar und natürlich. Wir gehen aus dem Moment heraus mit dem Leben in Beziehung. Wenn es uns gelingt Gefühle wahrzunehmen und (aus)zuhalten, entsteht im wahrsten Sinne ein spannendes Feld zwischen Reiz und Reaktion. Offenbart sich das Spüren für das, was entstehen will.
Emotionen sind Altlasten aus der Vergangenheit. Eine intelligente Lösung des Systems, schwierige Gefühle, die wir in diesem Moment nicht fühlen konnten oder wollten quasi einzufrieren und in unser inneres Tiefkühlfach zu packen. All das sind nicht verdaute Lebenserfahrungen. Allerdings begegnen wir immer wieder Situationen in unserem Leben, welche genau diese Emotionen triggern. Die Einladung ist, ein Päckchen aus dem Tiefkühlfach heraus zu holen, uns dem innerlich zuzuwenden, zu fühlen, anzunehmen und achtsam aufzutauen. Doch aus Angst vor dem Schmerz, unterdrücken wir unsere Emotionen. Betäuben uns mit allerlei Mitteln, wie Essen, Netflix, Alkohol, zu viel Arbeit und Co. Oder wir reagieren mit den heftigen Emotionen aus der Vergangenheit, die der Situation im hier und jetzt in keinster Weise angemessen sind und nötigen quasi unser Gegenüber dazu uns zu „re-traumatisieren“.
Je mehr sich das innere Tiefkühlfach füllt und ausweitet, desto mehr Energie benötigen wir, um all diese emotionalen Päckchen kalt zu halten. Diese Energie steht nicht mehr zur Verfügung, um unser wahrhaftiges Potenzial zu leben. Manchmal bleibt noch nicht mal genug Energie übrig, um unseren Alltag zu bewältigen.
Die fünf Gefühlskräfte
Dabei liegen in unseren Gefühlen enorme Kräfte verborgen. Gefühle machen uns darauf aufmerksam, was uns innerlich bewegt.
In ihrem Buch „Gefühle & Emotionen. Eine Gebrauchsanweisung“ beschreibt Vivian Dittmar fünf Basis-Gefühlskräfte: Wut, Trauer, Angst, Freude und Scham.
Gefühle entstehen nicht willkürlich, wir erschaffen unsere Gefühle selbst.
Durch unser Denken.
„Das ist falsch.“ entfacht Wut.
„Das ist schade.“ fließt in Trauer.
„Das ist furchtbar.“ vermittelt Angst.
„Das ist richtig.“ kreiert Freude.
„Ich bin falsch.“ fördert Scham.
Wir neigen dazu, angenehme Gefühle wie Freude anzustreben und unangenehme Gefühle zu unterdrücken. Doch unser Gefühlsempfinden ist keine Einbahnstraße. Wenn wir uns den schwierigen Gefühlen verschließen (Stichwort: Fühle nicht!) dann können wir auch die Gefühle, nach denen wir uns sehnen, nicht voll und ganz empfinden. Wir berauben uns unserer Lebendigkeit, Lebensfreude und Liebesfähigkeit. Ja, wir sind regelrecht verwirrt, weil wir nicht mehr spüren, was wir wirklich wirklich wollen.
Dabei liegt in schwierigen Gefühlen ein wertvoller Schatz verborgen.
Wut will Handlung bewirken, wenn wir etwas als falsch erachten.
Wir brauchen die Kraft der Wut, um zu wissen, was wir wirklich wollen, für uns einzustehen, klar Ja oder Nein zu sagen oder Veränderungen in unserem Leben zu anzugehen …
Im Schatten wirkt Wut zerstörerisch.
Die Kraft der Wut schafft Klarheit.
Trauer will Annahme bewirken, wenn etwas anders ist, als wir es gern hätten.
Wir brauchen die Kraft der Trauer, um anzunehmen, was nicht (mehr) in unserer Macht liegt, unser Herz der Liebe zu öffnen, loszulassen und Frieden zu schließen …
Im Schatten wirkt Trauer passiv.
Die Kraft der Trauer öffnet uns für die Liebe.
Angst will Kreativität bewirken, wenn wir Grenzen, Einschränkungen oder Unbekanntem begegnen.
Wir brauchen die Kraft der Angst, um kreative Auswege und Lösungen zu finden, um über uns hinauszuwachsen in unsere Lebensaufgabe …
Im Schatten lähmt uns die Angst.
Die Kraft der Angst ist Schöpfung.
Freude will Wertschätzung bewirken, wenn wir etwas als schön und richtig empfinden.
Wir brauchen die Kraft der Freude, um das Leben zu genießen, das auf unserer Welt und in unserem Leben zu würdigen und zu stärken, was wir gut und schön finden.
Im Schatten wirkt Freude als eine Illusion.
Freude entfacht Anziehungskraft.
Scham lädt uns ein zur Selbstreflexion.
Wir brauchen ein gesundes Schamgefühl, um unseren Blick nach Innen zu richten, um zu erkennen, dass wir keine Übermenschen sind, sondern Grenzen, Fehler und Schwächen haben.
Im Schatten wirkt Scham selbstsabotierend.
Die Kraft der Scham ist Demut.
Check-In mit dir selbst
Das schwierige sind nicht unsere Gefühle an sich, sondern unser Umgang damit. Wir haben Gefühle jahrelang regelrecht „gemobbt“ aus Unsicherheit. Es wird Zeit unseren Gefühlen neu zu begegnen, mit Selbstverantwortung.
Wenn du noch wenig Übung im Umgang mit deinen Gefühlen hast, kannst du mit einem regelmäßigen Check-In mit dir selbst (Poster von Neue Narrative) starten:
- Wie ist mein Energielevel heute?
- Wie fühle ich mich?
- Wie voll sind meine Bedürfnisgläser?
Fühle. Sei präsent. Nimm‘ wahr. Lass‘ dich auf die Empfindung ein.
Kannst du dich in deine Gefühle rein entspannen, ihnen Raum geben, sie groß werden lassen?
– ohne ein Drama zu kreieren (das ist der Kopf!).
Wenn du deine Gefühle lange unterdrückt hast, braucht das Übung.
Doch du wirst belohnt mit Bewusstsein und Energie.
Diese Praxis der Selbstfürsorge konnte ich für mich gut umsetzen.
Doch mich anderen mit meinen Gefühlen zu zeigen und zuzumuten …
That’s another story!
Ich bin, nein ich war, sehr sehr gern unabhängig.
Ich bin auch gern mit mir allein.
Wenn ich mich nicht gut fühle, ziehe ich mich zurück.
Rolladen runter.
Innerlich aufräumen.
Wenn die Sonne wieder scheint, ziehe ich den Vorhang wieder auf.
Das erscheint doch sehr selbstverantwortlich.
Jein.
Ein Teil des Selbst fehlt in der Außenwelt.
Auf diese Art und Weise sind wir nicht ganz und wahrhaftig in Beziehung mit anderen.
Das dient dem Selbstschutz.
Doch das geht zu Lasten von Verbindung, emotionaler Bindung.
Erfahrungsräume für Gefühle
Sowohl im Privaten als auch im Arbeitskontext braucht es Räume, wo wir unsere Gefühle zum Ausdruck bringen können. Sei es im Check-In zum Start des Meetings, in einem Clearing the air oder Connecting.
Im ersten Schritt erfordert es Mut, sich verletzlich zu zeigen.
Doch oftmals sind unsere Gefühle und Empfindungen ein Symptom für etwas, das nicht nur uns selbst betrifft.
So berichtete es ein Kunde nach unserem Coaching:
Er sprach im Kreis von zwei Kollegen ganz offen seine Angst vor Unzulänglichkeit an.
In seinem Empfinden war das, wie als wenn er einen Dominostein zum Fallen gebracht hätte.
Zum ersten Mal haben die drei darüber gesprochen, wie unsicher und unwohl sie sich manchmal in Terminen fühlen, wenn sie auf Unverständnis stoßen. Das war für meinen Kunden ein Gespräch auf einem viel tieferen, persönlichen Niveau als er das bislang im Arbeitskontext kannte. Zudem wurde deutlich, dass das Thema Angst vor Unzulänglichkeit nicht nur diese Runde, sondern die Organisation generell betrifft. Das offenbarte einen Ansatzpunkt für wirkungsvollere Interventionen.
Hinter dem Fühlen offenbart sich das Spüren
Hinter all unseren Gefühlen und Emotionen offenbart sich das Spüren.
Die Qualität des Spürens ist subtil, leise, sanft und essentiell im Leben.
Oftmals nehmen wir diese Ebene des Seins nicht wahr, weil sie vom Lärm des Denkens übertönt wird und der Zugang von unaufgeräumten Emotionen verstopft ist.
Dadurch können wir die feinen Impulse nicht empfangen.
Oder sie werden fehlinterpretiert.
Doch im Spüren liegt unsere innere Führung.
Unser individuelles Navigationssystem für den eigenen Lebensweg.
„Wir denken zu viel und fühlen zu wenig.“
(Charlie Chaplin)
Mit unserer Lebensaufgabe ist unser Verstand überfordert.
Zu komplex sind die Herausforderungen und Entscheidungen.
Der Weg gestaltet sich nicht aus der Vergangenheit, sondern aus der entstehenden Zukunft.
Dafür braucht es Intuition und Herzintelligenz.
Die Intelligenz für Sinn.
Das Gespür dafür, was gut und für unseren Lebensweg stimmig und passend ist.
Diesen Sinn können wir nur spüren, wenn wir im Kontakt mit unserem Herzen sind.
Ich wünsche dir den Mut, deinen Gefühle Raum zu geben, um zum Spüren und Sinn vorzudringen,
Katja
Dein Mutmacher für den Wochenstart:
– immer montags in deiner Inbox.
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… für mehr Freude und Sinn im (Job-)Alltag.
Los geht’s …