Direkt nach dem BWL & Sport-Studium war Olaf Küsgens schon einmal selbstständig. Über mehrere Stationen ist er beim Weltkonzern adidas gelandet, zuletzt als Senior Manager Global Flagship Store Activation. 2020 habe ich Olaf im Purpose Workshop kennengelernt. Seitdem hat er neben dem Konzernjob sein Skate Coach Business aufgebaut. In diesem Montags-Impuls teilt er seine Erfahrungen auf dem Weg „zurück“ zu seiner Passion.
Hallo Olaf, ich verfolge deinen Weg mit großer Begeisterung. Nach unserem Purpose Workshop ist viel passiert.
Oh ja, es ist viel in Bewegung gekommen. Es gab jede Menge zu tun, vor allem aufgrund der Doppelbelastung von Konzernjob und dem nebenberuflichen Aufbau meines Skate Coach Business. Das ist wie eine riesengroße Übergangsphase. Ein Transformationsprozess, der seit dem Workshop in Gang gekommen ist. Das war kein harter Cut nach dem Motto: Jetzt fange ich was Neues an, sondern ging erstmal langsam los. Das erste Ausprobieren der Ideen hat so gut funktioniert, dass ich mich mittlerweile komplett selbstständig gemacht habe. Skate Coach (www.skate-coach.de) ist jetzt eine richtige Firma, die gerade als GmbH eingetragen wurde.
Skateboarden ist deine Leidenschaft. Was begeistert dich daran?
Ich habe mit dem Skateboard fahren angefangen als ich ein kleiner Junge war. Meine Mama hat mir das erste Skateboard im zarten Alter von 10 Jahren geschenkt. Für sie war das ein Spielzeug, nach dem Motto: „Dann sind die Kinder mal ein wenig beschäftigt“.
Das war Ende der 80er Jahre. Zu der Zeit gab es einen Boom, bei dem Skateboarden aus Amerika zu uns rüber schwappte. Allerdings absolut unorganisiert. Es gab in Deutschland fast gar keine Infrastruktur. Keine Skateparks. Nichts. Kaum eine Hand voll Shops, wo man Material kaufen konnte. Kein Internet! Das war eine echte Pionierzeit.
Damals habe ich gemeinsam mit meinem großen Bruder mit Skateboarden angefangen. Stück für Stück haben wir ausgeknobelt, wie das Ganze funktioniert und uns das selbst beigebracht. Man konnte das nirgendwo lernen. Sobald es los geht mit Tricks, kann das sehr frustrierend sein, weil man manchmal einfach nicht weiterkommt.
Dann hat sich eine Community von Freunden und Kumpels gebildet. Jeder konnte schon etwas, das die anderen nicht konnten. Die Leute haben sich gegenseitig unterstützt. Dieses Mindset, Teil einer sehr engen Community zu sein, besteht bis heute beim Skateboarden.
Mein Bruder hat irgendwann aufgehört.
Ich hatte wohl etwas mehr Talent, habe an Wettbewerben teilgenommen und war schon früh relativ gut. In Köln, einem der größten Skateparks Deutschland, habe ich mit 12 Jahren den Contest in der Kindergruppe gewonnen. Das war eine große Sache für mich. Aus heutiger Sicht betrachtet, hat mich das wahnsinnig gepusht, weil ich gemerkt habe: Da ist eine Sache, die kann ich besonders gut und besser als andere.
Du hast dich mit deiner Leidenschaft direkt in jungen Jahren selbstständig gemacht, wie kam es dazu?
Das zieht sich bei mir durch wie ein roter Faden. Ich war schon immer vielseitig interessiert. Meine Eltern sind beide Lehrer, beide auch Sportlehrer. Die Nähe zum Sport war bei uns in der Familie gegeben, genauso wie die Nähe zum Unterrichten.
Als ich mit der Schule fertig war, stand ich vor der Berufswahl. Ich hätte alles und nix machen können, aber es sollte unbedingt etwas mit Sport werden. In Köln gab es einen neuen Studiengang: Sport und BWL. Das erschien mir in der Kombination passend, eben etwas mit Sport. Viel tiefergehender war die Studienwahl ehrlich gesagt nicht.
Geprägt vom Skateboarden hatte ich im Studium stets das Gedankenspiel im Hinterkopf: Wie würdest du das umsetzen, wenn du deinen eigenen Skate Shop hättest? Als ich mit dem Studium fertig war, kam ein Kumpel und ebenfalls Skateboard Profi auf mich zu, der sich mit einem eigenen Skate Shop selbstständig machen wollte. Ich war zu dem Zeitpunkt auf der Suche und fand die Idee reizvoll. Wenn wir das gemeinsam angehen, könnte das direkt funktionieren.
Ich hatte keine Ahnung, was das konkret bedeutete. Im Einzelhandel hatte ich nie gearbeitet. Doch natürlich war ich durch und durch Skateboarder. Zu dem Zeitpunkt hatte ich über 10 Jahre Erfahrung mit dem Skateboard fahren und dem ganzen Drumherum. Mit dem Material und der ganzen Szene kannte ich mich super aus. Das war damals der Schritt in die Selbstständigkeit mit Skateboard fahren.
Im Prinzip hätte ich selbstständig bleiben können. Vom Gegenstand her war das super und lief erfolgreich. Unser Business Plan, den wir für drei Jahre aufgesetzt hatten, war schon im ersten Jahr erreicht.
Die besondere Nische hat damals schon funktioniert, weil wir uns sehr stark für die Community engagiert haben. Wir haben einen Verein gegründet, Wettbewerbe für Kinder und Jugendliche organisiert oder Skateboard-Crashkurse in der Schule angeboten. Wir waren die coole Alternative zu den ganzen anderen Sportarten und sind überall offene Türen eingerannt.
Doch die Vorstellungen mit meinem Partner gingen leider auseinander. Wir hatten eine GbR gegründet, das ist quasi wie heiraten. Nach ein paar Jahren findest du heraus, ob das funktioniert oder nicht. Wir haben uns im Guten getrennt. Im Endeffekt bin ich dann ausgestiegen. Mein Partner hat den Shop weiter geführt.
Ich habe mich auf die Suche begeben und bin über verschiedene Stationen im Retail Management gelandet.
Was hat dich nach der Selbständigkeit bewegt in ein Angestelltenverhältnis zu gehen?
Die Selbstständigkeit war mein erster Job. Rückblickend denke ich, war das schon alles ganz schön cool. Doch ich war zu diesem Zeitpunkt noch nicht weit weg von meiner Heimatstadt. Berufsmäßig hatte ich nicht viel kennengelernt. Zwar kannte ich mich super in meiner Skateboard-Blase aus, doch darüber hinaus fehlte mir verdammt viel.
In meinem StrengthsFinder Profil ist „Learner“ eine der zentralen Qualitäten. Ich hatte den inneren Antrieb, mehr zu lernen und mehr zu sehen. Daher war es toll, dass ich die Möglichkeit hatte über den Tellerrand zu schauen.
Wo bist du dann gelandet?
Erst bei Vans, dann bei Carhartt Work in Progress. Die suchten jemanden, der ein Start up Mindset hat und ein Retail Team aufbauen kann. Insgesamt war ich dort fünf Jahre, zuletzt Head of Retail mit Verantwortung für 250 Leute und 50 Stores in ganz Europa.
Aus heutiger Perspektive war das aber alles schön übersichtlich, die Organisation nicht so groß und die Hierarchien flach. Ich konnte direkt mit dem Chef und Inhaber sprechen und brauchte nicht zehn verschiedene Meetings, um Dinge auf den Weg zu bringen. Das gefiel mir.
Allerdings hatte ich nach fünf Jahren alles erreicht. Mir fehlte die Entwicklungsperspektive.
Die hast du dann bei adidas gefunden?
Ja, da dachte ich ganz klar: Arbeiten im globalen Headquarter, WOW. Das ist so die Champions League. Dort sind tatsächlich ganz andere Möglichkeiten und Ressourcen vorhanden, aber das geht einher mit einer riesigen Organisation und extrem komplexen Strukturen. Die ersten zwei bis drei Jahre war das super und ich konnte viel lernen. Doch das Gefühl der Fremdbestimmung wurde für mich irgendwann ganz krass. Im Konzernumfeld gehört das einfach dazu. Es werden ganz oben Vorgaben gemacht und die müssen dann einfach erfüllt werden. Da darf man sich keine falschen Illusionen machen.
Ausgelöst durch Corona hat sich dann wahnsinnig viel verändert. Das was ich als stabil empfunden hatte, war plötzlich gar nicht mehr so stabil. Es gab eine Umstrukturierung, dann folgte schon die nächste. Ich hatte das Gefühl auf der Stelle zu treten. Fühlte mich zunehmend unwohl. Ich realisierte, dass ich so viel machen und bewegen könnte, doch ich konnte das irgendwie nicht mehr umsetzen und mich nicht mit allen meinen Stärken einbringen. Dazu kam ein persönlicher Wertekonflikt. Das, was ich mache, muss einen Sinn haben.
Was gibt deiner Arbeit Sinn?
Mir geht es um das Persönliche, die menschliche Seite. Egal wo ich war, ich habe mich immer für meine Leute eingesetzt. Ich habe versucht, das Ganze so zu optimieren, dass es mitarbeiterorientiert ist und einen Mehrwert für die Menschen schafft. Das ist eine gewisse Grundmotivation, die ich immer hatte.
Doch das war mir vor dem Purpose Workshop noch nicht so glasklar. Um seiner persönlichen Unzufriedenheit auf den Grund zu gehen, muss man sich Zeit nehmen. Das funktioniert nicht nebenher, wenn man zuhause noch kleine Kinder hat. Da ist 24/7 was los und es bleibt wenig Zeit zum Reflektieren.
Was hast du im Purpose Workshop für dich erkannt?
Der Purpose Workshop bot mir die Möglichkeit relativ schnell eine Bestandsaufnahme zu machen und mir darüber klar zu werden, wo der Schuh drückt. Das war total super.
Bei der Werte-Übung tauchte bei mir dann auch Altruismus als einer meiner Grundwerte auf. Spätestens da habe ich gemerkt: Das ist wirklich schwierig zu verwirklichen in meinem beruflichen Umfeld. Eine 100% kommerzielle Firma ist nicht dafür gemacht, um den Menschen zu dienen. Da geht es eher um Shareholder Value und den Aktienkurs …
Besonders hängen geblieben ist bei mir auch eine geführte Mediation zu einem Flow-Moment. Da kam bei mir wieder das Skateboarden hoch. Ein Wettbewerb, auf den ich eigentlich richtig gut vorbereitet war. Ich hatte mir innerlich alles zurecht gelegt. Doch dann lief der erste Run nicht so toll. Für den zweiten Run habe ich mir gesagt: „Scheiß einfach drauf. Entweder es klappt oder es klappt eben nicht.“ Das hat rückblickend für eine enorme Freiheit gesorgt, dass ich nicht mehr verstandesmäßig herangegangen bin, sondern einfach intuitiv aus dem Bauch heraus … Das war dann wahrscheinlich der beste Run den ich jemals hatte 🙂
In dem Moment war mir ganz klar, dass mein Weg wieder mit Skateboarden zu tun haben könnte. Dann kam alles wie von selbst. Ich hatte das Gefühl, das all die Ideen und Lösungen schon da waren. Es hat mich wirklich sehr beeindruckt, dass ich mit dieser Hilfestellung im Purpose Workshop von selbst auf die Lösung bzw. einen möglichen Weg gekommen bin.
Du hattest eine Idee, doch das ist noch lange kein Business …
Genau. Die Idee ist ja fein. Doch man muss einfach mal losgehen und anfangen einen Prototyp zu kreieren. Das war die Empfehlung, die ihr im Workshop gegeben habt: Der Effectuation-Ansatz.
Ich habe das nachgelesen und auch in der Start-Up Bibel „The Lean Start Up“ wieder erkannt. Dort wird das genauso empfohlen: So schnell wie möglich Prototypen und Experimente starten. Keine Zeit verlieren, einfach anfangen auch wenn alles am Anfang nur ganz klein ist. Genau das habe ich gemacht und so hat sich das Ganze immer weiter gesteigert. Die Idee hat sich dabei weiter geformt.
Dann wurde Skateboarden im Sommer ein olympischer Sport. Auf einmal war das Ganze viel größer als gedacht. Dadurch entstehen ganz andere Möglichkeiten. Mir wurde bewusst, dass ich fast wie ein weißer Raabe bin, weil es wohl kaum noch jemanden gibt, der genau diese Skills für den Job mitbringt.
Am Anfang hatte ich mir nur das Grundrüstzeug zurecht gelegt und direkt mein Netzwerk aktiviert, weil ich ja viele Leute in dem Umfeld kenne. Und auf einmal gingen alle Türen auf …
Du glaubst es nicht … da bin ich gerade so ein bisschen gerührt (Pause) … meine ältesten Kumpels und Freunde ganz vom Anfang sind auf einmal wieder aufgetaucht und die haben mir alle geholfen. Einfach so – ohne Gegenleistung. Wahnsinn!
Das ist eine geniale Community. Die Leute haben Erfahrungen in verschiedensten Bereichen. Zum Beispiel brauchte ich eine Homepage. Dafür hatte ich ein Angebot von einer Agentur in Höhe von 6.000 EUR auf dem Tisch. Einer meiner besten Skateboard-Kumpel hat mir davon abgeraten und gesagt: „Ja, kannst du schon machen, wenn du die Kohle hast, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob du das brauchst. Es gibt da so Baukastensysteme und ich mache dir das einfach. Sollen wir am Wochenende mal telefonieren?“ Am Wochenende haben wir dann die Homepage eingerichtet. Er hat mir gezeigt, wie das geht. Den Rest habe ich selber gemacht. Nach drei Wochen stand die Homepage. Das ist die Homepage, die ich immer noch habe. Stück für Stück haben wir die weiter ausgebaut.
So ging das in alle Richtungen. Über Social Media sind die ganzen Kontakte noch da und es war relativ einfach mein Netzwerk wieder aufzurollen. Ich habe mich in Erinnerung gerufen und mit den Leuten telefoniert. Die waren alle mega cool und wollten kein Geld haben. Alle hatten irgendwelche Spezial-Skills, die mich wahnsinnig weiter gebracht haben. Das war wahrscheinlich richtig viel Geld wert, das man am Anfang aber einfach nicht hat.
Absolut, das ist unglaublich wertvoll. Wie würdest du dein Business beschreiben, was tust du konkret?
In vielerlei Hinsicht erfinde ich das Rad nicht neu.
Der Skateboard Markt hat sich stark gewandelt. Als ich angefangen habe, gab es keinen einzigen Skatepark in Deutschland. Mittlerweile gibt es 2.000 Skateparks. Der Sport war komplett informell organisiert. Die Skate-Community hat immer gesagt: Wir brauchen keine Trainer, wir machen das selber.
Das hat sich verändert, dadurch dass der Sport so groß geworden ist. Immer mehr Leute wollen Skateboarden ausprobieren und einen Schnupperkurs für den Einstieg buchen. Genauso wie beim Skifahren oder Windsurfen. Alle Sportarten kann man irgendwie lernen. Im Anfängerkurs kann man herausfinden, ob die Sportart zu einem passt.
Genau das ist das Ding, was ich gestartet habe. In der Region bin ich der einzige Anbieter. Ich brauchte keine Akquise machen. Über die Homepage kamen immer mehr Anfragen. Das lief quasi von selbst.
Gleichzeitig warst du mit deinem Vollzeit-Job bei adidas und Familie mit zwei Kindern gut ausgelastet. Wie ist es dir gelungen, dein Business nebenher aufzubauen?
Die ersten zwei Monate war es noch etwas ruhiger. Da konnte ich mich auf die Entwicklung des Lehrkonzeptes, das Ausprobieren und die Homepage konzentrieren. Das Networking war dann sehr intensiv. Ich bin davon ausgegangen, dass ich das als 450-Euro-Job nebenher machen kann. Über den Sommer hat mich das dann regelrecht überrollt. Da kamen phasenweise so viele Anfragen, dass ich nicht mehr hinterher gekommen bin. Das hat viel Zeit und Energie gekostet. Die Nachfrage ist vor allem am Wochenende da. Jeden Samstag und Sonntag bin ich morgens aufgestanden, wir haben als Familie gefrühstückt und dann bin ich irgendwohin gefahren, um die Kurse zu machen. Den halben Tag on tour. Das war auch für meine Frau sehr tough, weil sie mit den Kindern allein zuhause war.
Dann habe ich entschieden meine Stunden bei adidas zu reduzieren. Rückblickend war das der größte Knackpunkt. Am Anfang hatte ich Sorge, ob das überhaupt geht. Doch das Brücken-Teilzeit-Gesetz ermöglicht es Arbeitnehmern auf Teilzeit zu gehen für eine befristete Zeit – wofür auch immer. Ich habe das schlussendlich über Elternteilzeit realisiert. Man hat da wirklich einen Rechtsanspruch, das wissen die meisten Leute nur nicht.
Natürlich ist das der Karrierekiller, wahrscheinlich in jeder grossen Firma. Mir war klar: Wenn ich diesen Schritt gehe, dann wird es sehr schwierig das wieder rückgängig zu machen. Aber es hat sich richtig angefühlt das einfach zu probieren, auch um es probiert zu haben.
Mega mutig, dass du den Schritt gegangen bist. Gleichzeitig war zu dem Zeitpunkt noch nicht gewiss, dass dein Skate Coach Business tragfähig sein wird, oder?
Am Anfang wusste ich das nicht. Ein Kumpel aus Köln hatte angefangen, das als Job zu machen. Mit dem habe ich telefoniert und kapiert: Skate Coach könnte auch ein richtiger Beruf sein. Das ist total verrückt. Seit Skateboarden mit Olympia im Fernsehen war, ist das durch die Decke gegangen. Da entsteht gerade ein neues Berufsbild und ich bin ganz vorne mit dabei.
So hat das Ganze eine andere Dimension angenommen. Ich habe über den Sommer größere Kurse mit bis zu 20 Teilnehmenden durchgeführt. Mein Ziel war, mich als regionaler Anbieter zu etablieren und das Ganze so aufzubauen, dass es nicht allein an mir als Einzelperson hängt. Das ist in dem Bereich nicht so lustig, weil man sich ja trotzdem verletzen kann. Skateboarden ist ein auch Risikosport. Daher habe ich einen Stamm an 10 Co-Trainern, die ich auf Minijob-Basis angestellt habe und die dazu kommen, wenn es nötig ist. Mit denen mache ich eine Train-the-Trainer-Ausbildung, um das Ganze zu professionalisieren und einen gewissen Qualitäts-Standard zu etablieren.
Mit meinen 15 Jahren Berufserfahrung kann ich das Skate Coach Business natürlich ganz anders aufziehen. Dennoch wurde ich belächelt, wenn ich im Bekanntenkreis erzählte, was ich vor habe. Nach dem Motto: Ah ja, Skateboard-Lehrer. Viele denken dann an den Skihütten-Toni, so einen Halli-Galli Typen. Wenn ich erzähle, was alles dahinter steckt, ändert sich das Bild schnell.
Es geht ja hauptsächlich um Menschen. Die wollen etwas lernen. Man muss sie motivieren, fördern und fordern. Man darf sie aber auch nicht überfordern. Das ist relativ nah an den Führungsthemen aus vorherigen Jobs. Da erkenne ich viele Parallelen. Was anderes ist das Thema Retail-Management. Da geht es um Service- und Dienstleistungsqualität. Dieses Know How bringe ich für Skate Coach mit. Das ist eine besondere Konstellation.
Was trägt und beflügelt dich in deinem neuen Berufsalltag?
Das tollste ist, wenn ich sehe, dass mein Konzept funktioniert. Wenn meine Schüler und Schülerinnen Erfolgserlebnisse haben und über sich hinauswachsen. By the way, das sind nicht nur Kinder und Jugendliche. Das sind auch Erwachsene. Mein ältester Schüler war 49 Jahre alt. Der hat an dem Tag einen neuen Trick gelernt. Es hat geklappt und er ist happy. Das ist toll. Das fühlt sich nicht an wie arbeiten. Klar, das hat man immer, wenn man sein Hobby zum Beruf macht. Aber diese Erfolgserlebnisse mit zu begleiten, das ist ganz stark. Das motiviert mich ungemein. Da schaue ich dann auch nicht auf die Uhr. Im Sommer ist das schon auch wahnsinnig anstrengend 4-5 Kurse hintereinander zu machen. Doch man zieht was daraus, statt das es nur Energie kostet.
Ich kann diesen Sport fördern.
Dazu beitragen, dass Kids sich bewegen.
Dass sie die Erfahrung sammeln, sich etwas zu trauen.
Beim Skateboarden kommt man relativ schnell an seine Grenzen.
Man merkt: Wenn das nicht klappt, tue ich mir weh.
Hinfallen und wieder aufstehen, beides gehört dazu.
Es einfach nochmal machen.
Ein paar Mal.
Irgendwann klappt es.
Da sieht man, wie die Kids über sich hinaus wachsen.
Sie sind stolz und bekommen einen Schub fürs Selbstbewusstsein.
Das ist für mich der Kern von dem Ganzen.
Es ist ein besondere Mindset, dass die Skateboarder haben.
Es geht nicht so sehr um Perfektion.
Jeder macht es so, wie er es für richtig empfindet.
Jeder übt die Tricks, die er selber können möchte.
Es gibt nicht wirklich so was wie die perfekte Technik.
Jeder macht es so, wie er möchte und das ist auch ok.
Das ist komplett individuell.
Für die Zukunft brauchen wir mehr Leute, die selbstbewusst sind.
Die wissen, was sie wollen und sich trauen, etwas Eigenes zu machen.
Die nicht einfach nur mitlaufen.
Was war die krasseste Herausforderung, bei der du dich aus deiner Komfortzone heraus bewegen musstest?
Womit ich am Anfang am meisten gehadert habe, war dieser Step mein eigenes Selbstbild zu korrigieren. Nach dem Motto: Ich bin der erfolgreiche Manager und habe mir was aufgebaut. Das alles einfach loszulassen. Man wird ja durchaus gelockt: Wenn du demnächst befördert wirst, bekommst du einen größeren Dienstwagen und noch mehr Aktienpakete und so weiter. Das ist ein sicherer Job. Diese Sicherheit loszulassen, war schon krass. Doch irgendwann hat es klick gemacht und mir wurde bewusst, dass dieser Job auch keine echte Sicherheit bietet. Die Arbeitsbelastung ist extrem hoch und daher kommt auch das Mindset, dass jeder für sich selbst schauen muss. Das ist eine Realität im Konzernumfeld, man muss lernen sich abzugrenzen. Das kann der Eine besser und der Andere nicht.
Mittlerweile hast du bei adidas gekündigt und das vermeintlich sichere Standbein losgelassen …
Das war natürlich gut überlegt. Bis Weihnachten wollte ich geklärt haben: Machst du es jetzt oder nicht. Dafür habe ich mir Hilfe gesucht und das war wieder verrückt. Bei uns im Haus ist eine Existenzgründungsberatung im Erdgeschoss. Das kann doch kein Zufall sein. Dort habe ich erfahren, dass es staatlich geförderte IHK Gründercoachings gibt. Das kann jeder beantragen, egal ob man schon angefangen hat oder nicht – wenn man Hilfe sucht findet man diese auch.
So konnte ich nochmal mit einem professionellen Gründungsberatern auf das Ganze schauen. Wir sind schnell zu der Einsicht gekommen, dass mein Geschäftsmodell auf jeden Fall tragfähig ist. Die Frage war eher: Wie groß möchtest du es machen und wie schnell möchtest du es groß machen? Ob das überhaupt funktioniert, diese Frage war sofort mit Ja beantwortet.
Insofern habe ich das ganze letzte Jahr nur diese Erfahrung gemacht: Es sind überall Türen aufgegangen, von denen ich gar nicht wusste, dass sie da waren. Es war wie ein großes Puzzle, wo immer mehr Teile aufgetaucht sind. Alles hat sich wie von selbst geklärt. Ich bin zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit meinem Ding. So dass ich mir gedacht habe: Jetzt musst du es aber auch machen.
Ich bin begeistert, dass du auch diese Synchronizitäten auf deinem Weg erlebt hast. Wie erklärst du dir das?
Ich habe immer wieder gedacht: Wahnsinn, das kann doch jetzt kein Zufall sein. Im weitesten Sinne ist das auch die eigene Wahrnehmung. Man selbst beeinflusst, worauf man die Aufmerksamkeit richtet oder auch nicht. Wenn man in seiner persönlichen Negativ-Bubble feststeckt, dann ist alles ganz schlecht und blöd, nur darauf hat man den Blick und dementsprechend geht es einem auch schlecht. Wenn man es schafft, da ein wenig raus zu kommen und in einem guten Umfeld landet, dann eröffnen sich auch ganz andere Perspektiven.
Wenn es sich dann noch um ein Herzensthema dreht, dann ist Aufmerksamkeit nie das Thema. Die Frage, ob man eine Stunde extra dafür macht, stellt sich nicht. Das eigene Interesse ist eh da. Das läuft wie von selbst. Langfristig ist eher die Challenge, die Balance wieder herzustellen. Die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Job stellt sich ja trotzdem. Aber man hat andere Freiheitsgrade und Möglichkeiten. Man selbst kann bestimmen, wie viel man arbeitet und in welche Richtung man geht. So kann ich mir selbst auch die Freiräume wieder einrichten.
Bei dir rückt die Familie sogar näher ran: Deine Frau hat ihren Job ebenfalls gewechselt und gestaltet als Architektin Skateparks, deine Tochter steht auf dem Skateboard …
Ja, da gab es eine witzige Geschichte in der Grundschule meiner Tochter. Die Eltern waren eingeladen etwas über ihre Berufe zu erzählen. Erstmal konnten gar nicht so viele Eltern kommen, weil sie für irgendwelche Firmen arbeiten müssen und keine Zeit hatten. Ich habe meine Tochter gefragt: Soll ich jetzt meinen Manager-Job bei adidas vorstellen oder meinen Job als Skate Coach? Sie meinte: „Nee, komm‘ du mal als Skateboard-Trainer. Das ist cooler.“ Der Höhepunkt war, dass ich mit dem Skateboard vom Tisch gesprungen bin. Das hat schwer Eindruck gemacht. Die Kinder waren begeistert und das war eigentlich die schönste Bestätigung.
Olaf, ich danke dir für dieses wundervolle Interview und die wertvollen Einblicke. Für dein Skate Coach Business wünsche ich dir weiterhin die Leidenschaft, den Mut und das Vertrauen für deinen ganz eigenen Weg.
Wie schön, dass du als Leser:in das Interview in voller Länge gelesen hast.
Welche Impulse nimmst du daraus für dich mit?
Ich wünsche uns allen, dass mehr Menschen sich trauen ihren eigenen Weg zu gehen,
Katja
Skate Coach
Skateboard fahren ist mehr als nur ein Sport!
Skateboard Fahrer lernen systematisch wie es sich anfühlt aus der Komfortzone herauszugehen, über sich selbst hinauszuwachsen und schließlich ein selbst gestecktes Ziel zu erreichen. Wenn man mal hinfällt ist das nicht schlimm – man steht auf und versucht es einfach nochmal. Skateboarder lernen Rückschläge zu akzeptieren und entwickeln einen sportlichen Ehrgeiz der aber 100% selbstbestimmt ist und „von Innen kommt“.
Du hast Lust das Skateboarden auszuprobieren?
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