Am vergangenen Freitag war ich eingeladen meine erste Laudatio zu halten, zur Vernissage von „Schichten“, einer Ausstellung meiner lieben Freundin Edna Ressel im Alten Ziegenstall in Moritzburg. Mich hat die Auseinandersetzung mit dem Thema und Ednas Werken zum heutigen Montags-Impuls inspiriert:
Schichten
Wir alle tragen Schichten – Erfahrungen, Prägungen und Muster, die sich im Laufe unseres Lebens gebildet haben. Einige bereits in unserer frühen Kindheit durch die Art und Weise unserer Erziehung und das Schulsystem sowie die Kultur, in der wir heranwachsen. Andere im Laufe unseres Lebens durch gesellschaftliche Normen, unser Umfeld und prägende Ereignisse. All das hinterlässt Spuren in uns. Mit den Jahren entwickeln wir Schichten, mit denen wir unseren Wesenskern instinktiv schützen wollen, die uns aber auch oft einengen.
„Du selbst zu sein in einer Welt,
die dich ständig anders haben will,
ist die größte Errungenschaft.“
(Ralph Waldo Emerson)
Das, was uns als Menschen im Kern ausmacht, ist selten auf den ersten Blick sichtbar. Hinter den oberflächlichen Schichten von Verhalten und Reaktion verbergen sich tiefere Ebenen unseres Seins. Jene Bereiche, die unsere wahre Natur, unsere innersten Bedürfnisse und hartnäckigsten Überzeugungen offenbaren. Diese tieferen Ebenen beeinflussen unser Denken, Handeln und Fühlen auf fundamentale Weise, auch wenn sie uns oft noch nicht bewusst sind.
Ebenen des Seins
Unsere echten, ungefilterten Gefühle – Freude, Angst, Wut, Trauer und Scham – bleiben nicht selten durch gesellschaftliche Normen oder Prägungen aus der Kindheit verborgen. Gefühle, die wir nicht zulassen und fühlen (wollen), verdichten sich zu Emotionen. Irgendwann wird dieser emotionale Rucksack eine Last, nimmt uns Beweglichkeit und Leichtigkeit, ja Lebendigkeit.
Glaubenssätze und innere Überzeugungen, die wir im Laufe unseres Lebens durch Erziehung, Kultur, Erfahrungen und Traumata erworben haben, formen unser Selbstbild und unsere Weltanschauung. Annahmen wie „Ich bin nicht gut genug“, „Ich bin nicht wichtig“ oder auch „Ich darf keine Schwäche zeigen“ beeinflussen, wie wir auf bestimmte Situationen reagieren.
Unsere tiefsten Bedürfnisse nach Sicherheit, Liebe, Anerkennung und Zugehörigkeit liegen unseren Handlungen zugrunde. Wenn wir unsere wahren Bedürfnisse unterdrücken, neigen wir dazu, durch Ersatzbefriedigungen und oberflächliche Verhaltensweisen das zu kompensieren, was wir eigentlich brauchen.
Auch körperliche Empfindungen und unsere Intuition vermitteln uns wesentliche Hinweise, was uns gut tut und was wir wirklich wollen. Diese körperliche und intuitive Weisheit wird übergangen, wenn wir uns auf vermeintlich rationale Entscheidungen und augenscheinliches Verhalten verlassen. Unser subjektives Empfinden zu integrieren ist wesentlich für stimmige Entscheidungen, sowohl für uns selbst als auch im Miteinander.
Wenn wir tief in uns eintauchen, können wir unser „essentielles“ Selbst wahrnehmen. Diese Essenz ist der tiefste Kern unserer Persönlichkeit. Sie kommt zum Vorschein, wenn wir unsere Konditionierungen, Masken und Rollen ablegen, die wir im Laufe der Zeit entwickelt haben. In dieser Tiefe finden wir unsere innerste Wahrheit, unsere eigentliche Identität und die Quelle unserer Kreativität und Lebensenergie.
In dieser Verbindung zu unserer Essenz können wir auch wahrnehmen, das unser Sein über unser Selbst hinausgeht. Das wir Teil eines Ganzen sind – sei es die Natur, das Universum oder eine höhere Intelligenz. Dieses Bewusstsein ist Quelle von Frieden, Sinn und Verbundenheit, jenseits der egozentrischen Schichten unseres Selbst.
Die Auseinandersetzung mit diesen tieferen Ebenen, die sogenannte „innere Arbeit“ und PersönlichkeitsENTwicklung, dient uns dazu, uns selbst besser zu verstehen, um authentischer und zufriedener mit uns selbst und unseren Mitmenschen zu leben.
„Der wahre Beruf des Menschen ist,
zu sich selbst zu kommen.“
Hermann Hesse
Kreativer Ausdruck
Die Ausstellung „Schichten“ von Edna Ressel inspiriert nicht nur künstlerisch, sie verbindet uns mit einem tiefen menschlichen Anliegen. Dem Anliegen, in echten Kontakt mit uns selbst und miteinander zu kommen. Uns nicht nur auf Augenhöhe, sondern auf Herzenshöhe zu begegnen, um uns gegenseitig in der Tiefe wahrzunehmen und wirklich zu berühren.
Das ist es, wozu Edna mit ihrer Kunst und ihrem Wirken darüber hinaus beitragen will. Dafür geht sie selbst voran. Ednas Werke sind das sichtbare Erleben innerer Prozesse, einer mutigen Reise der Transformation und Erneuerung hin zu mehr Wahrhaftigkeit. Schicht für Schicht innerlich abgetragen, und auf die Leinwand aufgetragen.
Dabei geht es ihr nicht um Perfektion, sondern Echtheit. Nicht um abgeschlossene Werke, sondern Menschen im Fluss des Lebens.
Der kreative Prozess ist nicht immer ein leicht zugänglich: „Nach einer Pause bin ich wieder eingetaucht in die Farbwelt,“ teilt sie ganz offen: „Das ist wirklich verrückt, dass man manchmal keinen Zugang findet und fast vermeidet zu tun, was doch so heilsam ist.“
Der kreative Weg fordert uns dazu auf, innezuhalten. Kreativität lädt uns ein, vom Denken ins Fühlen zu kommen, vom Verstand in den Körper zu gehen. Schicht für Schicht wird freigelegt, was in uns verborgen liegt, was in uns neu entdeckt und gewandelt werden will.
Dieser Wandel braucht Räume – Räume der Begegnung, des Ausdrucks und der Heilung.
Freiraum
Um andere Menschen zu diesen Erfahrungen einzuladen, hat Edna gemeinsam mit Franka Strangfeld und Nicole Rothaupt im Mai 2024 den frei*RAUM gegründet. Im systemischen, kunstbasierten EinzelCoaching und in vielfältigen Kreativkursen finden sowohl Erwachsene als auch Kinder hier Raum, um künstlerisch Zugang zu sich selbst und ihrer Innenwelt zu finden und sich im kreativen Ausdruck auszuprobieren.
„Das einzig lebenswerte Abenteuer
kann für den modernen Menschen
nur noch innen zu finden sein.“
(C. G. Jung)
Als Impuls lade ich Dich ein, die folgenden Fragen mit in Deine Woche zu nehmen:
An welche Schichten stößt Du momentan?
Welche davon schützen Dich und welche engen Dich ein?
Wie, über welchen für Dich stimmigen Zugang, kannst Du diese Schichten bewusst erkunden, durchlässiger werden, sie abtragen oder wandeln?
Ich wünsche uns, dass wir uns Zeit nehmen, um uns in der Tiefe und in unserer Verbindung wahrzunehmen,
Katja
P.S. Ich musste schmunzeln als gestern Abend beim Fertigschreiben des Montags-Impulses der Newsletter meiner lieben Freullegin Sandra Kleine einflatterte: „Mit Ehrlichkeit Schicht um Schicht näher zu dir selbst kommen.“ Synchronizität. Offensichtlich ist das Thema momentan „im Feld„. In jedem Fall kann ich Sandras Blogbeitrag sehr empfehlen.
frei*RAUM – Ein Ort für kreative Entfaltung
Die Gründerinnen vom frei*RAUM, Edna, Nicole und Franka glauben daran, dass jeder Mensch ein kreatives Potential in sich trägt. Dieses sucht sich seinen Weg.
Hast Du Deinen Weg schon gefunden?
Im frei*RAUM kannst Du Dich kreativ ausprobieren vom Ausdrucksmalen über Handlettering, Buchbinden bis hin zu Ateliernachmittagen für Kinder.
frei*RAUM | Atelier ZERMA, Meißner Straße 19 in Radebeul
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