Letzte Woche habe ich gemeinsam mit meiner Kollegin Irina aus dem The People Network einen Purpose Workshop für Top Talents eines Telekommunikationsunternehmens begleitet. Endlich wieder in Präsenz.
Dabei kam wieder meine Lieblingsmethode für das Warm-up und Kennenlernen zum Einsatz, die ich heute mit dir teilen möchte:
Intuitives Feedback
Entscheidend für die Wirkung ist, dass sich die Teilnehmer*innen möglichst noch nicht kennen. Beim Ankommen sollten sie noch keine persönlichen Details austauschen, sondern sich wie üblich im Small Talk über das Wetter oder die Anreise unterhalten.
Nach einem kurzen Überblick über die Agenda und „Hygieneregeln“ steigen wir direkt in die Übung ein. Dazu nutze ich gern ein Bild zur Veranschaulichung:
Stellen wir uns vor, wir sitzen in einem geschlossenem Zugabteil. Am nächsten Bahnhof steigt ein neuer Fahrgast in den Zug und dein Abteil ein. Wir nehmen diese Person wahr. Bewusst oder unbewusst ordnen wir den Neuankömmling instinktiv ein. Das ist für uns Menschen ganz natürlich. Wir verschaffen uns einen ersten Eindruck, vor allem um zu prüfen: Kann ich dieser Person vertrauen? Schließlich sitzen wir hier auf engstem Raum zusammen.
Genau diese instinktiven Eindrücke nutzen wir für den Zweck dieser Übung. Die Teilnehmer*innen werden in Kleingruppen à 3-4 Personen unterteilt. Immer eine Person steigt quasi ins Zugabteil ein und die anderen sind eingeladen ihre spontanen Impulse auszutauschen:
- Was ist das vermutlich für ein Mensch?
- Welche Eigenschaften zeichnen die Person aus?
- Wie lebt dieser Mensch? (Wohnsituation, Partnerschaft, Haustiere)
- Was arbeitet die Person? Welche Rolle hat sie im Team?
- Was hat sie/er für Hobbys und Interessen?
Zwei Punkte sind entscheidend:
- Die Teilnehmer*innen haben die Erlaubnis zu „lästern“, allerdings nur im positiven Sinne, also wertschätzend.
- Die Zuhörer*innen sollten möglichst noch kein Feedback geben, sondern ein Pokerface wahren und gern mitschreiben. Die Auslösung folgt erst in der großen Runde mit der Vorstellung.
Zeitlich nehmen wir uns pro Person zwischen 5 bis 10 Minuten Zeit. Dann wird gewechselt.
Die Wirkung
Jedes Mal, wenn ich diesen Einstieg in einem Workshop wähle, bin ich aufs neue fasziniert von der Wirkung. Anfangs ist es noch ungewohnt, die ersten Eindrücke laut auszusprechen. „Vorurteile“ sind negativ behaftet. Doch dank der ausdrücklichen Erlaubnis und wertschätzenden Haltung entwickelt sich zügig ein intensiver Austausch. Dem Pokerface zum Trotz huscht hier und da ein Lächeln über die Lippen und das ein oder andere Lachen erfüllt den Raum. Das Energielevel steigt spürbar an.
Neugierig gehen die Teilnehmer*innen in die Vorstellungsrunde: Stimmt das, was ich den anderen angedichtet habe? Die Aufmerksamkeit und das Interesse an den anderen ist hoch. Für die eigene Vorstellung hat jede Person genug Futter aus der Übung mitgebracht. Selten erfahren wir, wie wir im ersten Eindruck auf andere wirken. Das ist ein wertvolles Feedback.
Die Trefferquote liegt bei 70-90 Prozent. Das überrascht die meisten. Denn wir meinen, dass sich der erste Eindruck vor allem oberflächlich auf unser Äußeres und die Körpersprache bezieht. Ich bin davon überzeugt, dass wir instinktiv deutlich mehr wahrnehmen, als für uns sichtbar ist. Anders lässt es sich nicht erklären, dass selbst persönliche Details, die sonst in einer Vorstellungsrunde selten zur Sprache kommen, treffsicher eingeschätzt werden.
Für diesen Einstieg nehmen wir uns viel Zeit, doch die Wirkung ist jede Minute wert: Es entsteht eine offene Atmosphäre. Auch in heterogenen Gruppen im Sinne des Alters oder der Position begegnen sich die Teilnehmer*innen auf Augenhöhe. Das Teilen persönlicher Einblicke und das Erkennen von Gemeinsamkeiten schafft Vertrauen und Verbundenheit.
Auf dieser zwischenmenschlichen Basis kann sich das zeigen, worauf es in einem Purpose Workshop ankommt: unser wahres Selbst.
Dein Fokus für den ersten Eindruck
Doch was hat das mit deinem Alltag zu tun?
Beobachte dich selbst, wenn du fremden Menschen begegnest – bei einem Spaziergang, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, auf einer Party bei Freunden, in einem Video Call oder im Büro, falls du dort schon wieder bist.
Meist haben wir für den ersten Eindruck einen inneren Fokus. Wo ist dein Fokus?
Geh‘ einmal raus aus dem Vergleich.
Nimm‘ einen wertschätzenden Blick ein.
Stell‘ dir die Fragen dieser Übung.
Nimm‘ wahr, was das mit deiner inneren Haltung zu diesem Menschen macht.
Manchmal hast du Gelegenheit, deinen ersten Eindruck im Gespräch zu überprüfen.
Ein andermal nicht.
Ich wünsche uns allen, dass wir einander mit mehr Offenheit und Interesse begegnen,
Katja