In der Wirtschaftswelt von heute gibt die kurzfristige Profitmaximierung den Ton und Takt an. Eine Bewegung, die den Fokus zurück auf den wahren Zweck, den Purpose von Unternehmen lenkt, ist: Verantwortungseigentum.
Am Freitag, den 27. Oktober 2023, war ich zum Tag des treuhändischen Eigentums (VE:23). Ein Tag in Berlin. Ein Tag voller Inspiration, Lernen und Austausch rund um Verantwortungseigentum. Als Sparring-Partner dieser Erfahrung habe ich meinen Paps eingeladen mitzukommen. Vor Ort wurde deutlich, das Thema Verantwortungseigentum verbindet Generationen und eine Vielfalt von Unternehmen, vom Start-Up über den Mittelstand bis hin zum Konzern.
Die Bewegung Verantwortungseigentum beschäftigt mich persönlich in vielfacher Hinsicht:
- Wie kann es uns gelingen nachhaltiger (bis hin zu regenerativer) zu wirtschaften?
- Was braucht es, damit Unternehmen und die Menschen darin sinnorientiert statt vorrangig profitorientiert agieren können?
- Wie können wir unserer Zusammenarbeit im The People Network eine passendere Rechtsform geben?
Verantwortungseigentum ist eine mögliche Antwort auf diese drei Fragen. Dieses längst bewährte wie zugleich innovative Modell ermöglicht eine gerechtere und nachhaltige Zukunftsgestaltung für Unternehmen und die Ökosysteme, in denen diese Unternehmen wirtschaften.
Die Grundprinzipien des Verantwortungseigentums
Auf die kürzeste Formel gebracht: Beim Verantwortungseigentum bleiben das Vermögen und die Kontrolle langfristig an das Unternehmen gebunden.
Selbstbestimmung
Im Wesenskern des Verantwortungseigentums steht die Idee der Selbstbestimmung damit Unternehmen nicht als Spekulationsgüter gehandelt werden können. Die Kontrolle über das Unternehmen liegt in den Händen von Menschen, die nicht nur Eigentümer:innen, sondern auch tief mit dem Unternehmenszweck (Purpose) verbunden sind. Diese Treuhänder:innen, auch Stewards genannt, schützen das Unternehmen vor kurzfristigen Interessen und sichern so seine Unabhängigkeit.
Purpose-Orientierung
Im Verantwortungseigentum dienen Vermögen und Gewinne nicht als vorrangiges Ziel und Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck. Der im Unternehmen geschaffene Wert wird reinvestiert, um den Purpose des Unternehmens zu unterstützen. Gewinne dienen zur Deckung von Kapitalkosten oder werden gespendet, anstatt persönlichen Nutzen für die Eigentümer:innen zu generieren.
Tiefer einsteigen? In diesem Grundlagenwerk zum Verantwortungseigentum wird das Konzept in Artikeln, Interviews und Fallstudien skizziert und greifbar gemacht.
Verantwortungseigentum in der Praxis
Verantwortungseigentum ist kein neues Konzept. Schon seit Jahrzehnten wird das Prinzip von Pionier-Unternehmen wie Bosch oder Zeiss gelebt. Viele Familienunternehmen agieren nach diesem Unternehmensverständnis qua Familientradition. Auch Start-ups wie Ecosia, WEtell oder Einhorn haben das Potenzial von Verantwortungseigentum entdeckt, um ihre Missionen zu schützen und nachhaltige Veränderungen in der Welt herbeizuführen.
Auf der VE:23 sprachen u.a. Dame Sharon White, Chairwoman von The John Lewis Partnerschaft, Charles Conn, Chairman von Patagonia und Ines Schiller Gründerin des Start-Ups Vyld von ihren Erfahrungen aus der Praxis.
„Our one and only shareholder is our home planet.“
(Patagonia)
In Deutschland gibt es etwa 200 Unternehmen, die nach dem Vorbild des Verantwortungseigentums agieren. In Dänemark ist das Konzept bereits weiter verbreitet. Etwa 1000 Unternehmen agieren nach dem Prinzip (vgl. Utopia). 60% des Wertes des dänischen Aktienindex zählt zu Unternehmen in Verantwortungseigentum. Hintergrund sind u.a. die besseren rechtliche Rahmenbedingungen in Dänemark (vgl. Wikipedia).
Bedarf für eine neue Rechtsform
Organisationen wie die Stiftung Verantwortungseigentum und die Purpose Stiftung spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung und Umsetzung des Verantwortungseigentums. Sie setzen sich für politische und rechtliche Rahmenbedingungen ein, vernetzen Unternehmen in Verantwortungseigentum, unterstützen Bildung und Forschung und tragen dazu bei, das Bewusstsein für diese Eigentumsform zu schärfen. Die Purpose Stiftung hat ein hilfreiches Workbook zum Verantwortungseigentum veröffentlich, das Unternehmer:innen und Interessierte auf ihrer Reise hin zu Verantwortungseigentum informieren, unterstützen und begleiten will.
Im Juni 2023 haben 22 Wirtschaftsverbände die Einführung einer neuen Rechtsform mit gebundenem Vermögen in einem gemeinsamen Verbändepapier gefordert. Insbesondere für die Regelung der Nachfolge im Mittelstand würden sich damit neue Möglichkeiten eröffnen.
Die Stimmen treffen auf Resonanz. Die Eröffnungsrede des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier auf der VE:23 verdeutlicht das Interesse der Politik an der Bewegung Verantwortungseigentum. Wirtschaftsminister Robert Habeck und Katharina Beck, Finanzpolitische Sprecherin von Bündnis 90/die Grünen, äußerten sich auf der VE:23 optimistisch, dass die im Koalitionsvertrag vorgesehene Einführung der „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird.
Verantwortungseigentum als Weg in eine nachhaltige Zukunft
Als Fazit der VE:23 nehme ich mit: Verantwortungseigentum ist nicht nur ein Modell für Unternehmen, sondern eine Philosophie, die den Kern der Wirtschaft transformieren kann. Indem es den Purpose über den kurzfristigen Profit stellt und die Selbstbestimmung derjenigen sichert, die wirklich an das Unternehmen und dessen Purpose glauben, kann es zu einer Wirtschaft beitragen, die ins 21. Jahrhundert passt.
Ich wünsche uns allen eine Wirtschaft, in der wir selbstverantwortlich und purpose-orientiert wirksam werden,
Katja
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